Ein Text, den man als Coiler mal gelesen haben sollte...
Sagt der Assi zum Pathologen: 'nehmen wir heute den gegrillten oder den
verkochten Elektriker?'
Der folgende Text entstammt der Vorlesung von Prof. Dr. med. Rudolf Hauf zum Thema Elektrounfälle. Ich denke, daß man sich den Text einmal durchlesen sollte, bevor man anfängt mit Hochspannung zu arbeiten. Einige der aufgeführten Hilfemaßnahmen sollten aber nur vom Arzt durchgeführt werden (interkardiale Injektion etc.;-), Erste-Hilfe-Maßnahmen (Beatmung und Herzmassage z.B.) natürlich von jedem! Die elektronische Verbreitung dieses Textes geschieht mit freundlicher Genehmigung des Verfasser dieses Vorlesungsskriptes (Prof. Dr. med. Rudolf Hauf).
Der Elektrounfall - Erste Hilfe und Sofortmaßnahmen
von Rudolf Hauf
Einleitung
Der elektrische Strom ist unsere sicherste und umweltfreundlichste Energiequelle. Mit der fortschreitenden Entwicklung der Elektrotechnik hat er in alle Lebensbereiche Eingang gefunden und ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Daß er auch gefährlich werden kann, wird uns erst meist dann bewußt, wenn ein elektrischer Unfall geschieht. Durch Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen sowie durch Unfallverhütungsvorschriften werden Unfälle weitgehend verhütet, sie lassen sich aber nicht ausschließen. Kinder sind besonders gefährdet. Trotz des ständig steigenden Stromverbrauchs hat die Unfallhäufigkeit nicht zugenommen.
Die tödlichen elektrischen Unfälle sind in den letzten Jahren in der gewerblichen Wirtschaft und der Industrie wesentlich zurückgegangen. In den Haushaltungen und im täglichen Leben zeigt sich jedoch eine zunehmende Tendenz, wobei in 10-20% Kinder unter 9 Jahren betroffen sind. Auch in Krankenhäusern treten elektrische Unfälle auf, doch handelt es sich dort um eine nicht übersehbare Dunkelziffer.
Was den tödlichen Ausgang eines Unfalls anbetrifft, so liegen die elektrischen Unfälle weitaus an erster Stelle. Etwa 20% der Hochspannungsunfälle und 3% der Niederspannungsunfälle verlaufen tödlich, im Hochspannungsbereich durch die schweren Verbrennungen und im Niederspannungsbereich meist durch Herzkammerflimmern.
Ein elektrischer Unfall ist immer ein dramatisches Ereignis. Die Gefahr kann mit unseren Sinnesorganen nicht wahrgenommen werden. Die bei Stromdurchgang durch den Körper auftretenden Sensationen charakterisieren ihn als besondere Unfallform. Er entbehrt deshalb auch nicht einer gewissen Mystik. Sofort an der Unfallstelle einsetzende richtige Hilfsmaßnahmen können lebensrettend sein.
Elektrotechnische Grundlagen
Die Folgen eines elektrischen Schlages sind nicht zufällig und unberechenbar, sondern werden durch exakte naturwissenschaftliche Gesetze bestimmt. Die maßgebenden Faktoren sind Stromform, Frequenz, Spannung, Stromstärke oder Stromdichte, Widerstand unter besonderer Berücksichtigung des Übergangswiderstandes, Einwirkungszeit und Stromweg.
Bei der europäischen Stromversorgung ist sinusförmiger Wechselstrom mit einer Frequenz von 50Hz gebräuchlich. Für den Menschen hat dieser pathophysiologisch die ungünstigsten Auswirkungen zur Folge. Gleichstrom hat stets die gleiche Richtung. Er wird in der Elektrochemie, der Elektrotechnik und zum Betrieb von Bahnen verwendet.
Bezüglich der Spannung genügt es, was den elektrischen Unfall betrifft, zwischen Niederspannung unter 1000V und Hochspannung über 1000V zu unterscheiden. Die Hausinstallationen haben im allgemeinen 220(230)V Wechselstrom (Phase gegen Erde) bzw. 380(400)V Drehstrom (Phase gegen Phase). Sie liegen im Niederspannungsbereich. Bei Hochspannungsanlagen kann ohne Berührung bei Annäherung ein Überschlag (Lichtbogen) auftreten. Dieser kann kurze Zeit stehenbleiben. Er ist stromführend und weist enorme Temperaturen, bis 20.000 Grad Celsius, auf. Als Sicherheitsabstand bei Hochspannung wird 1cm pro 1000V gerechnet.
Der Widerstand (Ohm'scher Widerstand plus kapazitiver Widerstand, wird als Impedanz bezeichnet) setzt sich zusammen aus den Widerständen an den Stromübertrittsstellen und dem inneren Körperwiderstand. Letzterer entspricht im wesentlichen dem Widerstand der Muskulatur, ist in erster Linie ein Ohm'scher Widerstand und kann, je nach Stromweg und Konstitution, mit 700 bis 1000 Ohm angenommen werden. Der Widerstand der Haut ist ein vorwiegend kapazitiver Widerstand. Trockene schwielige Haut hat einen Widerstand von einigen 10.000 Ohm, bei dünner feuchter Haut beträgt er einige 100 Ohm und bei Hautdurchschlag sinkt er praktisch auf Null ab. Der Gesamtkörperwiderstand ist spannungsabhängig. Sein Verlauf ist in Abb.1 dargestellt. Er gilt für einen Stromweg Hand-Hand oder Hand-Fuß. Seine Abhängigkeit vom Stromweg ergibt sich aus Abb.2. Für das Unfallgeschehen sind weiterhin die Widerstandsverhältnisse von Kleidungsstücken, Schuhwerk, Unterlagen, Fußboden usw. zu berücksichtigen.
Der Stromweg kann sowohl wichtige Hinweise bezüglich der Folgen eines elektrischen Schlages, besonders im Hinblick auf kardiale und neurologische Störungen, als auch Aufschlüsse über das Unfallgeschehen geben. Der Stromweg kann durch Strommarken gekennzeichnet sein, die von kleinen unscheinbaren Hautveränderungen bis zu schwersten Verbrennungen reichen können. Ein wesentliches Kennmerkmal für eine Strommarke ist bei Berührung metallischer Leiter die Metallisation, das heißt die Einsprengung feinster Metallteilchen in das Gewebe an den Berührungsstellen. Bei großflächiger Berührung und geringem Übergangswiderstand können Strommarken auch fehlen. In etwa 35 % tödlich verlaufener Niederspannungsunfälle wurden keine Strommarken gefunden.
Da das Herz bei Niederspannungsunfällen im Mittelpunkt des Geschehens steht, ist von Bedeutung, welche Stromdichte in Abhängigkeit vom Stromweg am Herzen auftritt. Hiernach kann die Gefährdung durch die Stromeinwirkung auf das Herz in bezug auf einen Stromweg linke Hand zu linkem oder rechtem Fuß abgeschätzt werden. Die dafür errechneten Herzstromfaktoren sind in nachfolgender Tabelle aufgeführt.
Herzstromfaktor für verschiedene Stromwege:
Stromweg | Herzstromfaktor |
Linke Hand - linker Fuß, rechter Fuß oder Füße, beide Hände - Füße | 1.0 |
Linke Hand - rechte Hand | 0.4 |
Rechte Hand - linker Fuß, rechter Fuß oder Füße | 0.8 |
Rücken - rechte Hand | 0.3 |
Rücken - linke Hand | 0.7 |
Brust - rechte Hand | 1.3 |
Brust - linke Hand | 1.5 |
Gesäß - linke Hand, rechte Hand oder Hände | 0.7 |
Gerade beim Elektrounfall ist es besonders wichtig, daß sofort eine
genaue Untersuchung des Unfallgeschehens mit Beschreibung der Verhältnisse
am Unfallort stattfindet. Oft werden diese Aufzeichnungen bei späterer
Beurteilung der Unfallfolgen dringend benötigt.
Die entscheidenden Faktoren für die Wirkung eines elektrischen Stromes beim Durchgang durch den menschlichen Körper sind Stromstärke und Einwirkungszeit.
Biologische Wirkung des elektrischen Stromes
Ein Strom wird wahrgenommen, wenn er die Empfindungsschwelle übersteigt. Sie beträgt für sinusförmigen Wechselstrom 0.5mA und für Gleichstrom 2mA. Ströme unter der Empfindungsschwelle führen zu keinen erkennbaren biologischen Reaktionen. Mit zunehmender Stromstärke kommt es bei Wechselstrom zu Muskelkontraktionen bei Überschreiten der Reizschwelle, die solange anhalten, wie der Strom fließt. Ein Schwellenwert ist die geringste Größe eines elektrischen Stromes, die zur Auslösung eines Effektes führt. Durch die Kontraktion werden die durch die Muskulatur laufenden Blutgefäße eingeengt, wodurch der Blutdruck für die Dauer der Kontraktion erhöht wird. Gleichstrom setzt nur beim Ein- und Ausschalten oder bei Änderung der Stromstärke einen Reiz zur Muskelkontraktion. Diese Effekte sind harmlos.
Schließlich erreicht bei ansteigenden Wechselströmen die Verkrampfung der Handmuskulatur einen Grad, bei dem ein umfaßter Leiter gerade noch losgelassen werden kann. Man spricht von Loslaßstrom. Beim Überschreiten dieses Wertes ist ein selbständiges Lösen vom Kontakt nicht mehr möglich. Ungleich zum Wechselstrom gibt es beim Gleichstrom keinen definierten Loslaßstrom. Beim Ein- und Ausschalten kommt es bei höheren Strömen zu schmerzhaften krampfartigen Kontraktionen. Bei Stromstärken um etwa 300mA kann das Loslassen eines umfaßten Leiters unmöglich oder nur möglich nach einigen Sekunden oder Minuten sein.
Steigt die Stromstärke weiter an, werden größere Muskelgruppen betroffen, und es kann zu einer Erhöhung des Druckes im Bauchraum und Brustraum mit Erschwerung der Atmung kommen. Durch die plötzliche maximale und unkoordinierte Kontraktion der Muskulatur kann es zu Muskelrissen, Sehnenrissen, Kapselrissen und selbst zu Knochenbrüchen kommen. Dazu können Reizleitungs- und Reizbildungsstörungen des Herzens bis zu Vorhofflattern und Vorhofflimmern entstehen. Bei Gleichstrom werden unterhalb der Flimmerschwelle bei längerer Einwirkung ein zunehmendes Wärmegefühl und Herzrhythmusstörungen beobachtet, manchmal kommt es zu Verbrennungen und Bewußtlosigkeit. Diese Effekte bedeuten eine erhebliche Gesundheitsbelastung, auch wenn sie meist reversibel sind.
Die häufigste Todesursache ist das Auftreten von Herzkammerflimmern. Aber auch irreversibler Herzstillstand oder Atemstillstand können den Tod herbeiführen. Die Herzkammerflimmern wird ausgelöst, wenn ein kurzer starker Strom in die vulnerable Phase der Herzaktion fällt. Die Höhe der Flimmerschwelle ist abhängig von den Bedingungen der Stromeinwirkung, aber auch vom Zustand des Herzens, d.h. seiner Flimmerbereitschaft. Die vulnerable Phase ist ein umschriebener Zeitabschnitt im Erregungsablauf des Herzens. Sie beträgt etwa 1/10 der Dauer einer Herzaktion und ist der Zeitpunkt, zu dem ein genügend starker elektrischer Reiz zum Flimmern führen kann. Bei länger dauernden Wechselströmen wird die Flimmerschwelle erheblich gesenkt, da die auftretenden Extrasystolen die Flimmerbereitschaft erhöhen. Bei Gleichstrom ist die Flimmerschwelle für absteigende Ströme (Füße negativ) etwa doppelt so hoch wie für aufsteigende Ströme (Füße positiv). Bei Querdurchströmung tritt kaum Herzkammerflimmern auf. Vergleicht man die Effekte bei Gleich- und Wechselstrom, so liegen die Schwellen für Gleichstrom bei niedrigeren Strömen und längerer Einwirkzeit etwa 4 mal höher, dagegen werden sie bei großen Strömen und kurzer Einwirkzeit etwa gleich. Ursache dieses Verhaltens ist, daß Gleichstrom nur beim Ein- und Ausschalten Herzkammerflimmern erzeugen kann, wenn der Zeitpunkt in die vulnerable Phase fällt. Allerdings ist zu erwähnen, daß bei längerer Einwirkzeit von konstantem Gleichstrom ausreichender Größe es zur rhythmischen Entstehung von Extrasystolen kommt, deren Schwelle erheblich höher als bei Wechselstrom und deren Frequenz wesentlich niedriger ist. Bei großen Strömen können auch schwere Verbrennungen entstehen.
Bei den Hochspannungsunfällen, Spannungen über 1000V und Stromstärken über 3-8A, beeindrucken die schweren Verbrennungen. Zu unterscheiden ist zwischen den äußeren Verbrennungen durch die Hitzewirkung des Lichtbogens und den Verbrennungen und Verkochungen, vor allem der Muskulatur, durch die bei der Durchströmung auftretende Joulsche Wärme. Das Ausmaß letzterer ist äußerlich oft nicht erkennbar. Die schweren und tiefgreifenden Gewebezerstörungen führen zu einer Überflutung des Organismus mit Verbrennungsprodukten, Myoglobin, Hämoglobin, denaturierten Eiweißstoffen und Kalium, so daß schwere toxische Schäden auftreten können. Es kommt rasch zu Schockgefahr und Azidose. Zu fürchten sind die Spättodesfälle durch Nierenversagen, die meist am 3.-8. Tag auftreten.
Darüber hinaus können sich Atemstillstand mit nachfolgender Krampfatmung und Herzstillstand mit anschließenden, langanhaltenden Arrhythmien einstellen. Zu Herzkammerflimmern kommt es nur, wenn der Strom in der vulnerablen Phase der Herzaktion fällt.
Auch bei Hochspannungsunfällen können unter sehr günstigen Widerstandsverhältnissen Stromstärken wie im Niederspannungsbereich fließen. Nie schon erwähnt, ist auch der Lichtbogen stromführend. Durch seine Helligkeit können Augenschäden (Katarakte) entstehen. Die gelegentlich auftretenden vegetativen Störungen und die neurologischen Folgeerscheinungen an Rückenmark und Gehirn (Encephalopathia electrica) sollen hier nicht unerwähnt bleiben.
Da neben der Stromstärke auch der Einwirkungszeit wesentliche Bedeutung zukommt, hat eine Arbeitsgruppe der Internationalen elektrotechnischen Kommission Gefährdungsbereiche in Strom-Zeit-Abhängigkeit erarbeitet. Sie gelten für einen Stromweg linke Hand-Füße und sind für Wechselstrom in Abb. 3 und für Gleichstrom in Abb. 4 wiedergegeben.
Hilfsmaßnahmen am Unfallort und in der Klinik
Die Erste Hilfe beim elektrischen Unfall muß sofort und ohne jeden Zeitverlust begonnen werden, wenn sie Aussicht auf Erfolg haben soll. Da im allgemeinen ein Arzt oder geschultes Sanitätspersonal in nützlicher Zeit nicht an der Unfallstelle sein können, ist der Verunglückte auf Laienhelfer angewiesen.
Besteht der Verdacht auf einen elektrischen Unfall, so ist bei allen Hilfeleistungen auch an die eigene Sicherheit zu denken. Der Verunglückte muß zunächst von stromführenden Teilen befreit und aus der Gefahrenzone gebracht werden. Hochspannungsanlagen müssen vorher von Fachkräften freigeschaltet werden. Bei Absturzgefahr sind entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen.
Leichte elektrische Schläge, sogenannte Wischer, können folgenlos bleiben. Hat aber ein elektrischer Schlag zu Benommenheit, Schwindel, Unwohlsein, Schwäche und Schmerzen in der Herzgegend geführt, so besteht Verdacht auf Reizbildungs- oder Reizleitungsstörungen des Herzens. Der Verunglückte darf keiner Belastung mehr ausgesetzt werden. Es ist umgehend ein EKG anzufertigen. Bei pathologischen Veränderungen ist das EKG an den folgenden Tagen zu wiederholen. Unter Bettruhe und Unterstützung von Herz und Kreislauf klingen die Erscheinungen meist bald wieder ab. War der Unfall mit einem Absturz verbunden und ist der Verunglückte bewußtlos, atmet aber noch selbst, so ist er, sofern keine Gegenindikation besteht, in Seitenlage zu bringen. Atmung und Kreislauf sind zu überwachen, auch beim Transport.
Herz-Lungen-Wiederbelebung
Bestehen Bewußtlosigkeit und Atemstillstand, so muß unter Berücksichtigung einer Wiederbelebungszeit von 3-5 Minuten sofort mit der künstlichen Beatmung begonnen werden. Am Unfallort hat sich die Insufflationsbeatmung (Mund-zu-Mund- bzw. Mund-zu-Nase-Beatmung) bewährt. Auch Beatmungsbeutel leisten gute Dienste. Zuvor können zur Anregung des Herzens 2-3 kräftige Schläge mit dem Handballen in die Herzgegend auf den knöchernen Thorax verabreicht werden.
Die künstliche Beatmung allein kann nur Erfolg haben, wenn noch ein ausreichender Kreislauf vorhanden ist. Zeigt sich nach 5-6 Atemstößen kein Erfolg, d.h. bleibt die Haut blaß, fahl und zyanotisch, sind keine Herztöne hörbar, kein Puls fühlbar und die Pupillen maximal weit und reaktionslos, so liegt auch ein Kreislaufstillstand vor. Dieser kann bedingt sein durch Herzstillstand, Herzkammerflimmern, oder eine nur minimale Herztätigkeit. Nun ist zur Ingangbringung und Aufrechterhaltung eines Notkreislaufes neben der künstlichen Beatmung die äußere Herzmassage nach Kouwenhoven angezeigt. Die künstliche Beatmung hat keinen genügenden Kreislaufeffekt und die Herzdruckmassage keinen Beatmungseffekt. Wichtig ist, daß der Verunglückte bei der äußeren Herzmassage flach mit dem Rücken auf einer harten, nicht nachgebenden Unterlage liegt und die Druckstöße mit dem Handballen einer Hand bei Unterstützung durch die andere Hand mit gestreckten Armen so senkrecht und ruckartig auf das untere Drittel des Sternums verabreicht werden, daß der Brustkorb 3-4 cm gesenkt wird. Es sind 60-80 Druckstöße pro Minute auszuführen. Gefahren der Herzdruckmassage sind Rippenbrüche, Hämathorax, Pneumothorax, Leberruptur, Herzruptur usw. Für die Durchführung besteht aber eine vitale Indikation, denn Eröffnung des Thorax und direkte Herzmassage dürfte im allgemeinen kaum möglich sein.
Sind zwei Helfer am Unfallort, führt einer die künstliche Beatmung und der andere die Herzdruckmassage durch. Ist aber nur ein Helfer da, müssen Beatmung und Herzdruckmassage abwechselnd vorgenommen werden, und zwar 3-4 Atemstöße und etwa 15 Druckstöße Herzmassage. Die Wiederbelebung kann auch mit geeigneten Geräten fortgesetzt werden. Die Wiederbelebungsversuche müssen lange genug durchgeführt werden, eventuell 2 Stunden lang. Bei der kurzen Wiederbelebungszeit wird man beim Unfall für den rechtzeitigen Beginn der Wiederbelebung meist auf den Laienhelfer angewiesen sein, die in der Ersten Hilfe bei Elektrounfällen geschult sind.
Elektrische Defibrillation
Bei Herzstillstand oder nur minimaler Herztätigkeit führt die Herz-Lungen-Wiederbelebung meist nach kurzer Zeit zum Erfolg. Tritt aber ein solcher innerhalb von etwa 10 Minuten nicht ein, muß mit Herzkammerflimmern gerechnet wird. Ein EKG ist meist an der Unfallstelle nicht zu gewinnen. Nun ist die elektrische Defibrillation die Methode der Wahl. Der Verunglückte ist möglichst rasch unter Fortsetzung der Wiederbelebung in eine Klinik mit einem Defibrillator zu bringen. Es gibt aber auch tragbare, netzunabhängige Defibrillatoren, die am Unfallort eingesetzt werden können. Durch die Wiederbelebungsmaßnahmen wird die Wiederbelebungszeit wesentlich verlängert, und es sind bei richtiger Durchführung der Maßnahmen noch nach mehr als 2 Stunden erfolgreiche Defibrillationen vorgenommen worden. Vom Arzt können unterstützend intravenöse und intrakardiale Injektionen von Alupent und intravenöse Injektionen von Natriumbicarbonat gegeben werden. Unter Umständen muß die elektrische Defibrillation mehrmals wiederholt werden. Zwischendurch ist die Reanimation fortzusetzen. Ist eine elektrische Defibrillation nicht möglich, kann eine intrakardiale Injektion von Kaliumchlorid (Kaliumchlorid salvia, 7.45%ig, [1 mol/l], 15 bis 20 ml) versucht werden.
Transport
Ein Transport darf nicht um jeden Preis durchgeführt werden. Die Zahl der Transporttodesfälle ist immer noch sehr hoch. Verunglückte mit Atem- und Kreislaufstillstand dürfen nur transportiert werden, wenn auch während des Transports die Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt werden können. Ein Transport ist so rasch, aber auch so schonend wie möglich durchzuführen. Bei Klinikaufnahme sind die Wiederbelebungsmaßnahmen so lange weiterzuführen, bis der Aufnahmearzt weiteres veranlaßt.
Feststellung des Todes
Ein elektrisch Verunglückter, bei dem keine Lebenszeichen mehr wahrgenommen werden, ist zunächst scheintot. Der Tod sollte nur anhand von sicheren Todesmerkmalen festgestellt werden. Keine Atmung, kein fühlbarer Puls, keine nachweisbare Herztätigkeit, maximal weite und reaktionslose Pupillen sind keine sicheren Todesmerkmale. Als solche können genannt werden: Auftreten von Leichenflecken und Eintreten von Leichenstarre. An eine mögliche isolierte Starre an einzelnen Extremitäten als direkte Stromeinwirkungsfolge ist zu denken. Besteht keine andere Veranlassung, sollten Wiederbelebungsversuche auf jeden Fall und lange genug durchgeführt werden, etwa bis zu 2 Stunden. Elektrisch Verunglückte, meist jüngere gesunde Menschen, dürfen nicht zu früh aufgegeben werden.
Verhalten bei Verbrennungen
Die schweren Verbrennungen bei Hochspannungsunfällen dürfen an der Unfallstelle nicht mit Ölen, Salben oder Pudern behandelt werden. Auch einer Kaltwasserbehandlung am Unfallort stehe ich skeptisch gegenüber. Sie sollten nur vor weiteren Verschmutzungen geschützt werden. Brandwunden durch Stromeinwirkung sind meist nicht schmerzhaft. Sollten trotzdem Schmerzen auftreten, ist die Schmerzbekämpfung Sache des Arztes. Es empfiehlt sich Dolantin i.v., bei starker Unruhe 5-10 mg Valium. Vordringlich ist die Schockvorbeugung. Schwere Verbrennungen und Verkochungen führen zu einer Überflutung des Körpers mit Verbrennungsprodukten, Myoglobin, Hämoglobin, denaturierten Eiweißstoffen und Kalium. Die Brandwunden bedingen einen großen Flüssigkeitsverlust. Die Beine sind hochzulagern. Möglichst frühzeitig sollte eine Alkalisierung eingeleitet werden. Wenn keine andere Möglichkeit besteht, kann man dem Verunglückten eine alkalisierende Flüssigkeit zu trinken geben, z.B: 4g oder einen Teelöffel Natriumbikarbonat auf 1/3 l Wasser oder andere vorbereitete alkalisierende Mittel. Bewußtlosen darf natürlich keine Flüssigkeit eingeflößt werden. Ein Arzt an der Unfallstelle wird notwendige Infusionen anlegen (Elektrolytlösung und Plasmaersatz).
Anzustreben ist ein möglichst rascher, aber auch schonender Transport in ein für die Aufnahme Schwerverbrannter eingerichtetes Krankenhaus. Es muß daran gedacht werden, daß die Behandlung Schwerverbrannter sehr hohe Anforderungen bezüglich Einrichtung, Ausstattung, Labor und Personal eines Krankenhauses stellt. Es dürfte deshalb bei ausreichender Erstversorgung zweckmäßig sein, einen längeren Transportweg in Kauf zu nehmen.
Im Krankenhaus sind besondere Maßnahmen erforderlich. Schwere Verbrennungen setzen die Widerstandskraft des Körpers herab, so daß eine Bakterienüberflutung eine ernste Gefahr bedeutet. Deshalb sind Antibiotika angezeigt. Je nach Art und Schwere der Verbrennungen ist auch daran zu denken, im Interesse des Verunglückten schwer verbrannte Gliedmaßen abzusetzen. Durch die heute übliche Alkalisierung und Infusionsbehandlung sind die früher gefürchteten Spättodesfälle durch Nierenversagen eine Seltenheit geworden.
Richtige und schnelle Erste Hilfe bei Elektrounfällen durch gut geschulte Laienhelfer kann Menschenleben retten und Unfallfolgen mildern.
Abb. 1: Statistische Werte (5%, 50%, 95%) des
Gesamtkörperwiderstandes für den Stromweg Hand-Hand oder Hand-Fuß
für Berührungsspannungen bis 5000V.
Abb. 2: Innere Impedanzen des menschlichen Körpers
als Funktion des Stromweges. Die Zahlen geben den Prozentsatz
der Impedanz des menschlichen Körpers für den bezeichneten Stromweg
in Beziehung zum Stromweg Hand-Hand. Die Zahlen in Klammern beziehen sich
auf die Stromwege von beiden Händen zu den entsprechenden
Körperteilen. Die Prozentsätze können annäherungsweise
auch für eine Kalkulation des Gesamtkörperwiderstandes für
die angegebenen Stromwege benutzt werden.
Abb. 3: Strom-Zeit-Bereiche für die Wirkungen von
Wechselströmen (15-100Hz) für den Menschen.
Bereich 1: Im allgemeinen keine
Wahrnehmung.
Bereich 2: Im allgemeinen keine
gesundheitsgefährdende Wirkung.
Bereich 3: Im allgemeinen keine organischen
Schäden zu erwarten. Zunehmende Muskelkontraktionen und evtl.
Atembeschwerden, reversible Reizleitungs- und-Reizbildungsstörungen
des Herzens einschl. Vorhofflimmern und vorübergehendem Herzstillstand
ohne Herzkammerflimmern. Effekte nehmen mit Stromstärke und Einwirkungszeit
zu.
Bereich 4: Zusätzlich zu den Wirkungen in
Bereich 3 zunehmende Wahrscheinlichkeit von Herzkammerflimmern bis etwa 5%
(Kurve c2) bis etwa 50% (Kurve c3) und über 50% (über Kurve c3).
Zunehmend mit Stromstärke und Einwirkungszeit pathophysiologische Wirkungen
wie Herzstillstand, Atemstillstand und schwere Verbrennungen.
Abb. 4: Strom-Zeit-Bereiche für Gleichstrom
Bereich 1: Im allgemeinen keine Wahrnehmung.
Bereich 2: Im allgemeinen keine
gesundheitgefährdenden Wirkungen.
Bereich 3: Im allgemeinen keine organischen
Schäden zu erwarten. Mit zunehmender Stromstärke und Einwirkungszeit
reversible Reizbildungs- und Reizleitungsstörungen des Herzens
möglich.
Bereich 4: Zusätzlich zu den Wirkungen im
Bereich 3 Herzkammerflimmern möglich. Zunehmend mit Stromstärke
und Einwirkungszeit andere pathophysiologische Wirkungen wie schwere
Verbrennungen zu erwarten.
Die Begrenzung zwischen Bereich 2 und 3 ist nicht bekannt für Zeiten
unter 100 ms.
In Bezug auf Herzkammerflimmern bezieht sich die Kurve c auf aufsteigende
5tröme und Stromweg linke Hand-Füße.
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